Ein Raumschiffstart ist eine komplizierte Angelegenheit. Man sitzt quasi auf einem Pulverfass, und alles muss genau abgestimmt sein für den großen Knall, der dich hinauf in die Sterne schießt. Armstrong, vor ein paar Wochen, hatte ein Heer an Technikern. Ich dagegen habe keinen einzigen.

Die Steine sind noch warm von der Sonne des Tages. Ich lehne mich gegen einen von ihnen und lege meinen Arm um Bea. Unsere Zehen graben sich in den Sand, bis in tiefere, kühlere Schichten hinein. Die Ostsee ist jetzt, am frühen Abend, hinter ein paar Sandbänke zurückgetreten, die wie Schultern vergrabener Riesen aus dem Wasser ragen. Kinder laufen darüber, patschen durch den nassbraunen Sand, und jauchzen beim Anblick jedes neu entdeckten Krabbeltieres. Ihre sanft eingedrückten Spuren mischen sich mit den Abdrücken von Möwen, die vor dem Geschrei in die Luft flüchten, hinauf, über schlafende Boote und Bojen.

An Entschlossenheit mangelt es nicht, ebenso wenig an Planung. Aber ich bin eben nur eine Variable. Es kommt auf so viel mehr an: auf Wetter, Umstände, Glück. Wir haben nur noch zwei Tage in der Pension an der Strandpromenade; das Zeitfenster schließt sich. Nur wann weißt du, dass der richtige Moment da ist?

Von irgendwoher kommt ein Ruf und die Kinder ziehen von dannen. Ein salziger Wind weht über die See. Seegras und Schilf wiegen sich darin und Bea schmiegt sich an mich heran, ihr Körper warm durch den dünnen Stoff ihres Kleides. Ein Schaudern durchläuft mich, ein nervöses Zittern, kalt prickelnd, doch nicht vom Seewind.

Hervorragende Sichtverhältnisse, ideale Bedingungen. So eine Chance kriegen wir nicht noch einmal. Ready for take-off?

Ich küsse Beas Stirn, die noch etwas heiß ist von unserem Wettlauf den Strand entlang. Ich liebe sie. Ich liebe Beate Sirius.

Roger. Es ist Zeit. Countdown läuft. 5-4-3-2-1-Go!

Mein Magen ist flau und mein Mund trocken, aber ich drehe mich zu ihr und spreche die vorher zurecht gelegten Worte:

– Du bist wie dein Name, Bea, der hellste Stern am Himmel. Ohne dich wäre ich verloren, so wie ein Schiff auf einem dunklen Meer. Ich möchte eine Familie mit dir, mein Schatz, Kinder, und all das. Willst du mich heiraten?

Die Explosion katapultiert mich höher, gerade hinauf in den dunkelblauen Himmel, und ich steige auf, der Stratosphäre entgegen, meinen Stern vor Augen. Dann aber scheint etwas nicht richtig zu laufen. Ich komme ab vom Kurs, kippe zur Seite. Der Stern entschwindet meinem Blickfeld.

Über Beas Wangen laufen Tränen. Sie entzieht sich meinem Arm, rutscht zur Seite, schüttelt mit dem Kopf. Sie kann nicht, sagt sie. Die Stimme dringt kaum durch ihre verschnürte Kehle:

– So kann ich nicht lieben, Rudi. Ich nicht. Niemanden.

Ich falle zurück zur Erde, falle wie ein Komet. Rettungsmaßnahmen gibt es nicht. Fallschirme? Dies ist ein alles-oder-nichts-Manöver. Die Landmassen rasen auf mich zu. Get ready for impact.

Sie kann nicht lieben? Aber sieht sie nicht meine Liebe?

Der matte Tränenschleier legt sich wieder einmal über die Welt, und Strand und See entfernen sich dahinter. Bea reibt meinen Arm und ich glaube, das, was Punkte auf meinem Hemd macht, sind ihre Tränen. Aber ich spüre das nicht. Ich spüre nur den Aufprall, der mich zerbricht, und dann die Hitze des Feuerballs, der mich auffrisst.