Writer, Teacher, Musician

Tag: Kairos

Ein Seitenblick

Die Wangen von Ingeborg Bremer, unserer Institutssekretärin, schimmern rötlich durch eine dicke Schicht Make-up. Sie fährt flüchtig über ihre aufgetürmten Haare und flötet:

– Ja, ganz recht! Aber dass sie das bemerkt haben, Rudolf…

Frau Bremer geht pünktlich zum Monatsanfang zum Friseur, und ebenso pünktlich am Tag darauf erwähne ich beiläufig meine Überraschung ob ihrer hochtoupierten Haare: Inge, waren Sie etwa kürzlich bei einem Coiffeur? Heute aber muss ich unser Spiel jäh unterbrechen:

– Haben Sie Lina gesehen?

Der Teint der Sekretärin wird wieder teigig. Sie wendet sich ihrem Schreibtisch zu und tut das, was Sekretärinnen tun: die Hämmerchen ihrer Schreibmaschine gegen ein Farbband knallen, ungerührt kalten Kaffee trinken, Auskünfte erteilen:

Fräulein de Winter ist vor ungefähr zehn Minuten in den Hof gegangen.

Der Aufprall

Ein Raumschiffstart ist eine komplizierte Angelegenheit. Man sitzt quasi auf einem Pulverfass, und alles muss genau abgestimmt sein für den großen Knall, der dich hinauf in die Sterne schießt. Armstrong, vor ein paar Wochen, hatte ein Heer an Technikern. Ich dagegen habe keinen einzigen.

Die Steine sind noch warm von der Sonne des Tages. Ich lehne mich gegen einen von ihnen und lege meinen Arm um Bea. Unsere Zehen graben sich in den Sand, bis in tiefere, kühlere Schichten hinein. Die Ostsee ist jetzt, am frühen Abend, hinter ein paar Sandbänke zurückgetreten, die wie Schultern vergrabener Riesen aus dem Wasser ragen. Kinder laufen darüber, patschen durch den nassbraunen Sand, und jauchzen beim Anblick jedes neu entdeckten Krabbeltieres. Ihre sanft eingedrückten Spuren mischen sich mit den Abdrücken von Möwen, die vor dem Geschrei in die Luft flüchten, hinauf, über schlafende Boote und Bojen.

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